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Sunday, August 2, 2020

Schatten über dem Paradies: Sorge um das DDR-Feriendorf Vatteröder Teich - Mitteldeutsche Zeitung

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Mansfeld -

Dunkle Wolken hängen am Himmel über dem Teich, als Wolfgang Brand aus dem Auto steigt. Es tropft noch ein bisschen und eine Katze stakst wie auf Zehenspitzen durchs feuchte Gras. „Wäre doch schade“, sagt Brand mit einem Blick in die Runde, „wenn das hier alles kaputtgehen würde“.

Ein ganz besonderer Ort: Vatteröder Teich

Das hier ist das Feriendorf Vatteröder Teich, für Brand und seine Familie ebenso wie für Tausende oder gar Zehntausende Mansfelder ein ganz besonderer Ort. Mitten im Mansfeld gelegen, einer Region, die Jahrhunderte ein Zentrum von Bergbau und Hüttenindustrie war und den meisten Menschen deshalb als touristisch etwa so attraktiv gilt wie ein Ausflug in einen Braunkohletagebau, ist die Ecke um den Vatteröder Teich eine Widerlegung aller Vorurteile.

Grün und bunt, mit klarem Wasser und idyllisch gelegenen Bungalows lockt die Anlage am künstlich geschaffenen See inmitten des Wippertales seit Mitte der 60er Jahre Urlauber und Feriengäste an. Nicht nur die Hütten und Gemeinschaftsanlagen, sondern auch die in der Nachbarschaft herumfahrende Parkeisenbahn und eine am anderen Seeufer liegende Bühne wurden von FDJ-Mitgliedern aus Mansfelder Betrieben im sogenannten Nationalen Aufbauwerk errichtet und waren zu DDR-Zeiten begehrte Naherholungsziele.

30.000 Besucher und Badegäste am Wochenende

30.000 Besucher und Badegäste zählte der knapp zehn Fußballfelder große See an guten Wochenenden. In den Bungalows machten Mansfeldkumpel mit ihren Familien Urlaub, und im Tausch konnten auch Mitarbeiter aus anderen Betrieben hier ihre Ferien verbringen.

Es gab Tretboote und ein Restaurant, eine Freilichtbühne und die Parkeisenbahn. „Wir haben hier unzählige schöne Stunden erlebt“, erinnert sich Wolfgang Brand, der in Wimmelburg wohnt und bis heute bei Spaziergängen immer wieder mal am Feriendorf landet. „Umso mehr tut es in der Seele weh, zu sehen, was hier los ist“, sagt er.

Strom abgestellt, Bungalows aus der Vermietung genommen

Nichts im Moment. „Wir mussten den Strom abstellen und die meisten Bungalows aus der Vermietung nehmen“, sagt Gerhard Franke, der die Ferienanlage vor elf Jahren gekauft hat. Franke, umtriebiger Bus- und Taxiunternehmer aus Vatterode, kam damals als Retter in höchster Not.

„Das Unternehmen, das hier vorher die Hand drauf hatte, hat alles runtergewirtschaftet“, beschreibt Franke, ein kleiner, höchst agiler Mann mit strahlendem Blick und breitem Lächeln. Das schleicht sich immer wieder in die Züge des 62-Jährigen, der nach dem Ende der DDR einen beruflichen Neustart als Unternehmer wagte.

Ein kleines Imperium im strukturschwachen Mansfeld

Zweieinhalb Jahrzehnte ging das gut. Franke baute sich ein kleines Imperium im strukturschwachen Mansfeld auf, er organisierte Reisen, erledigte den Schülertransport für den Landkreis, fuhr Kranke und Pflegebedürftige und gründete mit seiner Tochter zusammen ein Pflegeheim. „Als es dann hieß, es wird jemand gesucht, der das Feriendorf vor der Schließung bewahrt, habe ich mich in der Pflicht gefühlt“, sagt Franke, der mit seiner Familie nebenan in Vatterode wohnt.

Eine Goldgrube ist das Feriendorf nie gewesen. „Aber es lief gut und wir haben nach und nach repariert, saniert und die Sachen in Schuss gebracht.“ Franke öffnet die Gaststätte und die Kegelbahn wieder für Feriendorf-Gäste und Ausflügler, das Leitungsnetz wird erneuert und es wird Müll beräumt, den der Vorbetreiber sogar in der früheren Spiegelglas-Sauna der Mansfeld-Generaldirektoren abgeladen hatte, um Entsorgungskosten zu sparen.

Ersparnisse eingesetzt

Bis Frankes Unternehmen die Ausschreibung für den Schulbusverkehr verliert. „Da wurde es finanziell eng.“ Erst habe er seine Kreditraten noch mit Hilfe von Ersparnissen beglichen und Altersrücklagen als Sicherheit verpfändet. „Aber dann hat mir die Volksbank die Konten gekündigt.“

Seitdem steckt Gerhard Franke und mit ihm das Feriendorf der Mansfelder in einem Insolvenzverfahren, von dessen Komplexität frustrierende Zahlenkolonnen erzählen. 1,8 Millionen standen irgendwann da, eines Tages fand Franke auch noch heraus, dass Steuererklärungen nie abgegeben worden waren. Schließlich schien ausgerechnet sein Bemühen, das kleine Paradies am Teich für die geplagte Region zu retten, ihm das Genick zu brechen.

Feriendorf Vatteröder Teich im Insolvenzverfahren

„Das wäre so traurig, für unsere ganze Gegend“, schimpft Wolfgang Brand, der Franke, seine Familie und seine Mitarbeiter hat ackern sehen, um den Laden am Laufen zu halten. „Wenn die Anlage hier erstmal leer steht“, sagt er, „dauert es höchstens ein paar Wochen und irgendwelche Vandalen schlagen alles kaputt.“ Dass ein neuer Betreiber von außerhalb das riesige Gelände rund um den Teich, der einst Teil des wasserwirtschaftlichen Systems des Mansfelder Kupferbergbaus war, besser entwickeln könnte, glaubt der Stammgast nicht. „Dazu muss man die Gegend kennen und wissen, wie die Leute hier ticken.“

Aufgeben aber sei keine Alternative, sagt Gerhard Franke. „Ich kämpfe weiter und ich sehe inzwischen auch wieder ein bisschen Licht am Horizont.“ Die Bürgschaftsbank des Landes habe ihm den Rücken gestärkt, mit dem Finanzamt sei er sich schon einig geworden. Nur die Volksbank lehne alle Gesprächsangebote und Lösungsvorschläge ab. „Ich bekomme nicht mal Antwort“, schüttelt er den Kopf. Auch auf eine MZ-Anfrage wollte das Geldinstitut aus Datenschutzgründen keine Stellung zu seinen Plänen mit Vatterode nehmen.

Dunkle Schatten liegen über dem See in Mansfeld

Droht eine Versteigerung? Eine Filettierung des Geländes und der Verkauf in Einzelteilen an solvente Interessenten, wie Franke befürchtet? Kehrt der Zaun zurück, der die Öffentlichkeit ausschließt? Es liegen dunkle Schatten über dem einstigen Paradies der Mansfeldwerker, doch Gerhard Franke zwingt sich zum Optimismus.

„Gerade konnten wir das Feriendorf aus der Insolvenzmasse herauslösen, so dass wir die Saison nicht ganz verlieren.“ Frankes Schwiegersohn Dominik Fecht steht jetzt am Steuer, eine neue Generation, die auch Gerhard Franke Hoffnung macht. „Es muss hier weitergehen“, sagt er, „und es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass das klappt.“ (mz)

>>Zur Ferienanlage: www.feriendorf-vatterode.de<<




August 02, 2020 at 03:00AM
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